Metformin und Langlebigkeit: Eine kritische Betrachtung

Metformin ist ein weit verbreitetes Medikament zur Behandlung von Typ-2-Diabetes, das zunehmend auch für seine möglichen Wirkungen auf die Langlebigkeit untersucht wird. Während es in Studien vielversprechende Ergebnisse hinsichtlich der Lebensverlängerung gezeigt hat, gibt es kritische Aspekte, die in der Diskussion um den Einsatz von Metformin für gesunde Menschen berücksichtigt werden sollten. Dieser Artikel beleuchtet zwei zentrale Kritikpunkte: erstens die potenzielle Schädigung der Muskulatur bei Menschen mit einem spezifischen Gendefekt und zweitens die Rolle von Metformin als Mikronährstoffräuber.

Wirkmechanismus von Metformin

Metformin wirkt primär durch die Hemmung der hepatischen Glukoneogenese, wodurch die Glukoseproduktion in der Leber reduziert wird. Dies geschieht über die Aktivierung der AMP-aktivierten Proteinkinase (AMPK), die als „Energiesensor“ in Zellen fungiert. Zusätzlich verbessert Metformin die Insulinsensitivität in peripheren Geweben wie Muskeln und Fettgewebe, was die Glukoseaufnahme erhöht. Bei gesunden Menschen ohne Diabetes ist der Nutzen jedoch umstritten, da die Aktivierung von AMPK und die Beeinflussung des Energiemetabolismus auch unerwünschte Nebenwirkungen hervorrufen können.

1. Gendefekt und Muskelschädigung durch Metformin

Ein kritischer Punkt im Zusammenhang mit Metformin ist das Risiko für Muskelschäden bei Menschen mit einem genetischen Defekt im Gen SLC22A1. Dieses Gen kodiert für den organischen Kationentransporter 1 (OCT1), der für die Aufnahme von Metformin in Zellen entscheidend ist. Studien zeigen, dass etwa 7–20 % der Bevölkerung genetische Varianten im SLC22A1-Gen aufweisen, die zu einer reduzierten Funktion des OCT1-Transporters führen (Shu et al., 2007; Zhou et al., 2009).

Bei diesen Individuen kann Metformin aufgrund einer verringerten zellulären Aufnahme zu einer Akkumulation im Plasma führen, was wiederum das Risiko für Laktatazidose und Muskelschäden erhöht. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Aktivierung von AMPK in Muskelzellen unter diesen Bedingungen zu mitochondrialen Dysfunktionen führen kann, was Muskelkraft und -regeneration beeinträchtigen kann (Vial et al., 2019).

Diese potenziellen Nebenwirkungen machen es erforderlich, genetische Tests in Betracht zu ziehen, bevor Metformin bei gesunden Menschen oder im Kontext der Langlebigkeit eingesetzt wird.

2. Metformin als Mikronährstoffräuber

Ein weiterer bedeutender Kritikpunkt ist die Rolle von Metformin als Mikronährstoffräuber. Es ist bekannt, dass Metformin die Aufnahme bestimmter Vitamine und Mineralstoffe beeinträchtigen kann. Besonders betroffen sind:

  • Vitamin B12: Studien zeigen, dass bis zu 30 % der Langzeitanwender von Metformin einen Vitamin-B12-Mangel entwickeln können (Vanita et al., 2016). Dieser Mangel entsteht durch eine gestörte Aufnahme im Darm, die vermutlich mit einer Veränderung der Darmflora und einer Hemmung des Calcium-abhängigen Absorptionsmechanismus zusammenhängt.
  • Folsäure: Ein Vitamin-B12-Mangel geht häufig mit einem sekundären Folsäuremangel einher, da diese beiden Vitamine eng miteinander verknüpft sind.
  • Magnesium: Langfristige Metformin-Anwendung kann auch den Magnesiumspiegel senken, was die Muskel- und Nervenfunktion beeinträchtigen kann (Bouras et al., 2020).

Der Mangel an diesen Mikronährstoffen kann erhebliche gesundheitliche Folgen haben, darunter Neuropathien, kognitive Beeinträchtigungen und eine gestörte DNA-Synthese. Bei gesunden Menschen, die Metformin zur Lebensverlängerung einnehmen, wiegt dieser Nachteil besonders schwer, da sie durch die Einnahme potenziell von einem optimalen Gesundheitszustand abweichen.

Fazit

Metformin zeigt zweifellos vielversprechende Ansätze in der Langlebigkeitsforschung. Dennoch sollten die potenziellen Risiken nicht übersehen werden. Die möglichen Muskelschäden bei Menschen mit genetischen Variationen und die Beeinträchtigung der Mikronährstoffaufnahme stellen ernsthafte Bedenken dar. Bevor Metformin für gesunde Menschen als Anti-Aging-Medikament empfohlen wird, sind weitere Studien erforderlich, die die langfristigen Risiken und Nutzen gründlich evaluieren.

Quellen

  • Shu, Y., et al. (2007). Functional characterization of genetic variants in the human organic cation transporter 1 (OCT1) gene. Journal of Biological Chemistry, 282(29), 22189–22198. https://www.jci.org/articles/view/30558
  • Zhou, K., et al. (2009). Variants in the organic cation transporter 1 gene influence the therapeutic response to metformin: A genome-wide meta-analysis. Diabetes, 58(3), 745–754. https://doi.org/10.2337/db08-0896
  • Vanita R. Aroda, Sharon L. Edelstein, Ronald B. Goldberg, William C. Knowler, Santica M. Marcovina, Trevor J. Orchard, George A. Bray, David S. Schade, Marinella G. Temprosa, Neil H. White, Jill P. Crandall, the Diabetes Prevention Program Research Group, Long-term Metformin Use and Vitamin B12 Deficiency in the Diabetes Prevention Program Outcomes Study, The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism, Volume 101, Issue 4, 1 April 2016, Pages 1754–1761, https://doi.org/10.1210/jc.2015-3754
  • Bouras H, Roig SR, Kurstjens S, Tack CJJ, Kebieche M, de Baaij JHF, Hoenderop JGJ. Metformin regulates TRPM6, a potential explanation for magnesium imbalance in type 2 diabetes patients. Can J Physiol Pharmacol. 2020 Jun;98(6):400-411. doi: 10.1139/cjpp-2019-0570. Epub 2020 Feb 4. PMID: 32017603. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32017603/
  • Vial, G., et al. (2019). Skeletal muscle dysfunction in type 2 diabetes: Pathophysiological mechanisms and therapeutic perspectives. Acta Physiologica, 227(1), e13251.

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